Wenn die Heizungswärme aus dem Acker kommt
Ideen, die unsere Welt verändern und verbessern. Wir stellen sie vor. Diesmal: Forscher nutzen Äcker per Agrothermie als Wärmequelle.
(Quelle: Wirtschaftswoche, www.wiwo.de)
Andreas Menn11.10.2024 - 10:39 Uhr
Kartoffeln anbauen und gleichzeitig Wärme gewinnen
DIE IDEE
„Fürchte nicht den Schnee im März, darunter schlägt ein warmes Herz“, lautet eine alte Bauernregel. Die sollte Bauern beruhigen: Die Saat ist auch bei Schneetreiben nicht gefährdet. Heute bekommt das Sprichwort eine neue Bedeutung: Die
Wärme im Ackerboden kann nicht nur Pflanzen wärmen, sondern auch Gebäude. In zwei Metern Tiefe herrschen bereits 5 bis 15 Grad Celsius. Diese Wärme lässt sich mit einem Rohrgeflecht aufnehmen, durch das eine Flüssigkeit zirkuliert, und
so in ländlichen Gebieten als erneuerbare Energiequelle nutzen. Mit einer elektrischen Wärmepumpe lässt sich die Temperatur auf 35 Grad Celsius oder mehr erhöhen, um Heizungen zu betreiben. Das Prinzip wird in Privathaushalten schon eingesetzt, bei Wärmepumpen, die Ideen, die unsere Welt verändern und verbessern. Wir stellen sie vor. Diesmal:
Forscher nutzen Äcker per Agrothermie als Wärmequelle
Heizenergie tief aus der Erde ziehen. Große Ackerflächen in geringer Tiefe hat hingegen noch niemand zu Heizzwecken erschlossen. Dabei sind die Ackerflächen leicht zugänglich, weil sie nicht von anderen Rohren durchzogen sind, wie viele
Grundstücke in der Stadt. Forscher der TU Dresden entwickeln nun ein System, um Erdwärme vom Acker zu erschließen. Laut dem Bundesverband Geothermie könnte Erdwärme vom Acker pro Hektar jährlich 400 Megawattstunden Wärmeenergie liefern und so 40 000 Liter Heizöl sparen.
DIE KÖPFE
André Grosa ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden. Seit 2008 erforscht er Systeme für die sogenannte Agrothermie. Jens Kluge ist Gründer des Ingenieurbüros Doppelacker und bringt Installations-Know-how ins Projekt ein.
DIE UMSETZUNG
Ein Projekt in Wüstenrot in Baden-Württemberg hat bereits gezeigt, dass die Technik funktioniert: Eine Agrothermieanlage, groß wie ein Fußballfeld, versorgt dort zusammen mit Wärmepumpen eine Wohnsiedlung mit Heizenergie. Ein Forschungsprojekt im Oderbruch in Brandenburg soll die Technik nun zur Industriereife bringen und Erkenntnisse liefern, ob sich der unterirdische Wärmekreislauf aufs Grundwasser oder Mikroben im Boden auswirkt. Die Forscher haben bereits
eine Maschine entwickelt, mit der sich die Wärmekollektoren zügig und großflächig verlegen lassen. Sie pflügt Kunststoffrohre tief in den Acker ein, greift aber an der Oberfläche nur minimal in den Boden ein. Einmal in Betrieb, soll die neue Anlage benachbarte Gewächshäuser nicht nur beheizen, sondern im Sommer auch kühlen und Luftfeuchtigkeit abführen.
A. MENN