Geothermie-Forschung: Oben Acker, unten Kollektoren

(Quelle: BMWi - Energiewende direkt, Ausgabe 09/2019)

Wie neuartige Geothermie-Kollektoren dazu beitragen können, Wärmepotentiale auf Agrarflächen zu erschließen, untersuchen Wissenschaftler in zwei Forschungsprojekten. Sie erforschen auch, wie die gewonnene Wärme zur kommunalen Versorgung genutzt werden kann.

Geothermie-Kollektoren Abbildung

© Doppelacker GmbH

Das Prinzip könnte zukünftig viel nutzbare Wärme und Kälte erzeugen: Kollektoren werden unter Ackerflächen verlegt und nehmen dabei Temperaturen zwischen fünf und 15 Grad auf. Umliegende Haushalte und Gewerbeflächen können mit der gewonnenen Wärme wahlweise mit Wärme oder Kälte versorgt werden. Der Acker über den Kollektoren lässt sich weiter ganz normal bewirtschaften.

Im Gegensatz zu herkömmlicher Fernwärme könnten Kommunen so außerdem für ihren Bedarf Erdwärme erschließen und eigene Anlagen betreiben. Durch vergleichsweise niedrige Temperaturen in oberflächennahen Bodenschichten lassen sich die Kollektoren je nach Bedarf einsetzen, mal als Kälte- und mal als Wärmequelle. Zukünftig könnten solche Anlagen auch als Pufferspeicher dienen und Energie aufnehmen, wenn mehr zur Verfügung steht als gerade benötigt wird.

Keine Konkurrenz um Flächen: Äcker gleich nach der Verlegung wieder nutzbar

Durch den Einsatz in geringer Tiefe steht die Wärmegewinnung mit Erdkollektoren aber nicht selten in Konkurrenz zu anderen Bodennutzungsformen und wurde deshalb bisher hauptsächlich auf kleinen und ungenutzten Flächen umgesetzt. Das soll sich mit den Ergebnissen der beiden Forschungsprojekte nun ändern. In Zusammenarbeit von Forschung und Industrie werden innovative Ansätze und neue Möglichkeiten entwickelt.

Ziel der Forschung ist es, die Installation großflächiger Geothermie-Systeme in geringen Tiefen voranzutreiben und deutlich zu vereinfachen. Im Modellprojekt EnVisaGe unter Koordination der Hochschule für Technik Stuttgart haben die Projektpartner das Prinzip des Agrothermie-Kollektors erstmals umgesetzt. In der Gemeinde Wüstenrot (Baden-Württemberg) wurden Kollektoren auf einer Fläche von circa 5.000 Quadratmetern verlegt. Die Anlage mit der Größe eines Fußballfeldes versorgt eine ganze Siedlung.

Während die ersten Kollektoren noch mit einem Traktor verlegt wurden, soll zukünftig eine spezielle Verlege-Maschine zum Einsatz kommen. Sie wird im an der TU Dresden angesiedelten Forschungsvorhaben KollWeb 4.0 unter Koordination des auf Niedrigtemperaturversorgungsanlagen spezialisierten Ingenieurunternehmens Doppelacker GmbH entwickelt. Mithilfe der neuen Technik können oberflächennahe Kollektoren zukünftig in der gewünschten Größe mit minimalem Bodeneingriff in einer Tiefe von zwei Metern "eingepflügt" werden. Durch die Lage unterhalb der Bearbeitungstiefe landwirtschaftlicher Maschinen kann die Fläche unmittelbar nach dem Verlegen der Kollektoren wieder für den Ackerbau genutzt werden.

Sie bergen viele Vorteile: Kalte Wärmenetze

Die mit den Kollektoren gewonnene Wärme wird anschließend in ein "Kaltes Wärmenetz" eingespeist und weiterverteilt. "Kalt" bezeichnet dabei die im Vergleich zu tieferen Erdschichten ganzjährig niedrigen Temperaturen zwischen fünf und 15 Grad Celsius. Beim Verbraucher wird die gewonnene Energie mithilfe von Wärmepumpen schließlich auf das benötigte Temperaturniveau angehoben - etwa zum Heizen von Gebäuden oder für die Warmwasserbereitung. Dank der niedrigen Temperaturen kann das System direkt oder mithilfe von Kältemaschinen auch zum Kühlen genutzt werden. Durch die gleichzeitige Nutzung von Wärme und Kälte werden zusätzliche Synergieeffekte erzielt, die die Effizienz von Wärmepumpen und Kältemaschinen steigern können.

Ein weiterer Vorteil: Klassische Fernwärmenetze liefern meist angebotsorientierte Heizwärme. Die Kalten Wärmenetze können dagegen zu einer bedarfsgerechten und zeitunabhängigen Versorgung mit Erdwärme zum Heizen und Kühlen beitragen.

Da die erforderlichen Temperaturen erst beim Endabnehmer erzeugt werden, entstehen anders als bei Fernwärmenetzen beim Transport kaum Wärmeverluste. Klassische Fernwärme entsteht meist als Nebenprodukt bei der Stromproduktion mit Brennstoffen. Systeme mit Agrothermie-Kollektoren zeichnen sich zusätzlich durch eine komplette Regenerationsfähigkeit aus. So wird die geförderte und oberflächennahe Erdwärme im Jahresverlauf größtenteils durch Sonneneinstrahlung bereitgestellt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Projekt "EnEff: Wärme Kollweb 4.0" zunächst bis Ende 2019 mit 2,6 Millionen Euro. Das Projekt "EnEff:Stadt - EnVisaGe - Kommunale netzgebundene Energieversorgung - Vision 2020 am Beispiel der Gemeinde Wüstenrot" wurde bis 2017 mit 3,4 Millionen Euro gefördert.

 

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